Im Landkreis Fulda kommt die NSDAP in der Weimarer Republik bei den Reichstagswahlen auf rund 20 Prozent der abgegebenen Stimmen. Es dominiert die katholische Zentrumspartei. Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ändert sich das.
Am 28. Juni 1914 wird in Sarajewo der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ermordet. Einen Monat später, am 28. Juli, erklärt Österreich-Ungarn Serbien den Krieg. Der Konflikt breitet sich rasch zum Flächenbrand aus. Mit seiner Kriegserklärung an Russland tritt Deutschland am 1. August in den Ersten Weltkrieg ein.
In den Kriegsjahren werden zahlreiche Güter zur Mangelware und daher zuteilungspfl ichtig. Ab 1915 übernehmen die Kreisausschüsse Verwaltungs- und Kontrollaufgaben im Rahmen der Kriegswirtschaft.
Nach Kriegsende wächst die Zahl der Hilfsbedürftigen. Die Kreise richten Fürsorgestellen und Wohlfahrtsämter ein. Durch die neuen Aufgaben wird die kommunale Selbstverwaltung finanziell ausgedünnt und beschränkt sich schließlich auf die Sozialfürsorge.
Die Kreistage werden in ihren Funktionen beschnitten, die Kreisausschüsse entmachtet. Mit der „Deutschen Gemeindeverordnung“ von 1935 wird die kommunale Selbstverwaltung aufgehoben. Als Parteibeauftragter der NSDAP nimmt nun der Kreisleiter maßgeblich Einfluss auf kommunale
Entscheidungen.
Ohne Klassengegensätze ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen – das ist auch im Landkreis Fulda das Ziel der Volksgemeinschaft. Dazu gehört zunächst, die Identifikation mit dem Nationalsozialismus in der Öffentlichkeit zu stärken: Die NSDAP benennt Straßen um, Adolf Hitler wird vielerorts zum Ehrenbürger ernannt. „Kraft durch Freude“-Fahrten sollen für die Volksgemeinschaft begeistern. Diese grenzt aber politische Gegner sowie „Nicht-Arier“ radikal aus und bekämpft sie. Landrat Hans Burkhardt nimmt die Rolle als Propagandist des Nationalsozialismus aktiv wahr. Die Teilnahme an Fackelzügen oder Feiern der Parteiorganisationen ist selbstverständlich. Die gleichgeschaltete Fuldaer Zeitung berichtet ausführlich darüber.
Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage der traditionellen Garnisonstadt Fulda kommen von 1934 bis 1937 drei weitere Kasernen und weitere militärische Dienststellen hinzu. 1938 wird der Truppenübungsplatz Wildflecken fertiggestellt. Zehn Orte müssen dafür weichen, im Kreis Fulda sind Kippelbach und Dalherda betroffen. Seit 1935 gilt in Deutschland wieder die Wehrpflicht. Mit Beginn des Krieges 1939 erhalten die Ausgebildeten und auch die Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg die Einberufung. Dies reißt Lücken in den Personalbestand der Unternehmen. Die Industrie stellt auf Kriegswirtschaft um. Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs werden rationiert, der Landkreis koordiniert hier maßgeblich. Ab 1940 werden Zwangsarbeiter aus Polen und Russland eingesetzt. Ab Mitte 1944 bombardieren die Alliierten die Region aus der Luft. Insgesamt sterben dabei in der Stadt Fulda, die stark zerstört wird, 1.594 und im Landkreis knapp 100 Menschen. Um die große Anzahl Verwundeter zu versorgen, werden zahlreiche Lazarette eingerichtet.
Am 9. November 1938 und in der darauf folgenden Nacht wird die Fuldaer Synagoge durch Vandalismus und mehrere Brandlegungen zerstört. Auch in Hünfeld, Burghaun, Rhina, Wehrda und Eiterfeld gehen die Synagogen in Flammen auf. In Gersfeld, Neuhof, Wüstensachsen und Tann werden die jüdischen Gotteshäuser vollständig zertrümmert.
Im Dezember 1941 beginnen die Deportationen der noch im Raum Fulda verbliebenen Juden. Sie werden nach Osteuropa in Konzentrations- und Vernichtungslager gebracht. Nur wenige überleben. Am 23. März 1943 werden etwa 130 Sinti vom Fuldaer Bahnhof aus nach Auschwitz deportiert.
Der Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft in Fulda ist kaum organisiert. Es sind kleine Gruppen und Einzelpersonen, die ihn tragen. KPD und SPD spielen schon vor 1933 kaum eine Rolle. Der „Deutsche Eisenbahner-Verband“ arbeitet noch einige Jahre illegal gegen das Regime weiter. Und Theologen leisten im „Kirchenkampf“ Widerstand. Die beiden einzigen evangelischen Pfarrer im Kreis schließen sich der antinazistischen „Bekennenden Kirche“ an, wie auch die fünf evangelischen Pfarrer im Kreis Hünfeld. 1934 besuchen in Tann 1.000 Menschen einen Gottesdienst der „Bekennenden Kirche“. Der NS-Landrat verbietet daraufhin weitere Veranstaltungen und geht nun auch gegen katholische Geistliche vor.
Das Fuldaer Bischofshaus wird mehrfach als Treffpunkt von Angehörigen der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis genutzt. Zu diesem hält der Fuldaer Bischof Johann Baptist Dietz Kontakt. Das NS-Regime geht schon früh mit Verhaftungen, Entlassungen und Kloster-Schließungen im Landkreis gegen die katholische Kirche vor.
Auf dem Fuldaer Stadtschloss weht am 2. April 1945 die weiße Fahne, Hünfeld wird am selben Tag ebenfalls kampflos aufgegeben. Am folgenden Tag stellen die Amerikaner klar, dass sie als Sieger und Besatzer kommen – nicht als Befreier. Die Militärregierung übernimmt die Macht und lässt die alten Behörden zunächst streng kontrolliert weiterarbeiten. Neue deutsche Verwaltungen entstehen auf lokaler Ebene und im Kreis. Deren Spitzen besetzen die USA mit Unbelasteten. Im Landkreis Fulda übernimmt für wenige Wochen Dr. Johannes Kramer das Amt, bis Georg Stieler zum Landrat ernannt wird. Schrittweise erhalten sie mehr Zuständigkeiten. Alle Erwachsenen haben sich ab Frühjahr 1946 Entnazifizierungsverfahren zu unterziehen. Spruchkammern und Laiengerichte entscheiden. In Fulda werden nur zwei Personen als Hauptschuldige verurteilt.