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Der Landkreis Fulda von 1867 bis 1913

In den Jahren von 1867 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges geschieht viel im Landkreis Fulda. Es gibt Gebietsreformen, neue Verfassungen und wirtschaftlichen Aufschwung.

1867: Neue Kreisverfassung Selbstverwaltung durch Kreistag

Es gibt eine neue Kreisverfassung im Regierungsbezirk Kassel.
Der neue (preußische) Regierungsbezirk Kassel wurde in 23 Kreise eingeteilt, darunter der Landkreis Fulda und der Landkreis Hünfeld.
Die Kreise werden Gebietskörperschaften mit Selbstverwaltung durch den Kreistag.

 

Mütterberatung und Tuberkulosefürsorge Dr. Justus Schneider wird Kreisphysikus

Ende des 19. Jahrhunderts baut Preußen ein kommunales Gesundheitswesen auf. Im Zuge der Reform übernimmt der Landkreis in Persona eines staatlichen Gesundheitsbeamten erstmals eine medizinische Schutzfunktion gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern: Mit dem Einsetzen eines Kreisphysikus beginnt die staatliche Aufsicht des Medizinalwesens, die Sanitätsaufsicht und die gerichts- und vertrauensärztliche Tätigkeit.

Dr. Justus Schneider (1842–1904) bekleidet in Fulda diese Position ab 1884 und übernimmt dabei auch „sozialhygienische Aufgaben“ wie Mütterberatung oder die Tuberkulosefürsorge.

Kreis schafft Einrichtungen im Bildungs- und Sozialbereich 1885: Neue Provinzial- und Kreisordnung

Mit der neuen preußischen Provinzial- und Kreisordnung von 1885 werden die Selbstverwaltungsrechte der Kreise erweitert. Dies ermöglicht es den Kreisen, Einrichtungen im Bildungs- und Sozialbereich zu schaffen. Außerdem können sie nun Wasser- und Energie-Versorgungsbetriebe gründen sowie übernehmen. Die Kreise werden zu „Kommunalverbänden zur Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten“ zusammengeschlossen. Daraus kann eine Gemeinde nur ausscheiden und Kreisfreiheit erhalten, wenn sie mindestens 25.000 Einwohner zählt. Für Fulda mit 12.000 Bewohnern liegt diese Option noch in weiter Ferne.

Erste Fahrt im Jahr 1888 Errichtung der Rhönbahn

Die Rhön ist bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vom Schienennetz abgetrennt. Fährt in Fulda die Eisenbahn bereits 1866, dauert es in der Rhön mehr als zwanzig Jahre länger. Mit dem konkreten Ziel der Tourismusförderung vor Augen, erreicht der Rhönklub unter Justus Schneider beim preußischen Ministerium den Bau der Rhönbahn. 1881 beginnen die Planungen. Die Strecke mit sechs Bahnhöfen verbindet ab 1. Oktober 1888 zunächst Fulda und Gersfeld. Der Landkreis stellt die benötigten Flächen kostenfrei zur Verfügung. Die Linien machen Fulda zum Eisenbahnknotenpunkt und steigern die wirtschaftliche Infrastruktur, auch im ländlichen Raum siedeln sich nun Industriebetriebe an.

Die Strecke von Fulda nach Hilders folgt als zweite Rhönbahn auf die 1888 in Betrieb genommene erste Rhönbahn zwischen Fulda und Gersfeld. Sie reicht von Götzenhof nach Bieberstein und Hilders über Tann. Der Bau des Milseburgtunnels erfordert dabei erheblichen technischen Aufwand: 183 Meter Höhendifferenz müssen zwischen Langenbieber und dem Bahnhof Milseburg ausgeglichen werden.

In Trägerschaft des Kreises Pflege im Liobaheim

Ab 1888 pflegen Vinzentinerinnen in einem Haus des Fuldaer Bischofs in Maberzell hilfsbedürftige Menschen. Als der Platz nicht mehr ausreicht, errichtet eine Frauengruppe des St. Elisabethvereins unter der Leitung von Maria Rang das St.-Lioba-Haus in der heutigen Liobastraße. 1892 übernimmt der Landkreis die Trägerschaft. Das Gebäude wird mehrfach erweitert und modernisiert. 2011 wird das Seniorenzentrum in einen Neubau an der Boyneburgstraße verlegt, der Landkreis gibt die Trägerschaft ab. 2017 übernimmt das Deutsche Rote Kreuz das Ursprungsgebäude, das heute teilweise als Studenten- und Jugendwohnheim genutzt wird.

Weltrekord auf der Wasserkuppe Geburtsstunde des Segelflugs

Die Geschichte der Wasserkuppe als Geburtsstätte des Segelflugs beginnt 1911: Darmstädter Studenten entdecken den Berg für sich und unternehmen erste Segelflugversuche. Sie entwickeln das Modell „FSV VIII”, mit dem sie zunächst 450 Meter weit kommen. Am 22. Juli 1912 gelingt ein Flug über 840 Meter, der den damaligen Weltrekord der Brüder Wright (622 m) deutlich übertrifft.

Die Wasserkuppe wird in den 1920er Jahren zum Berg der Flugrekorde, die in zahlreichen „Rhönwettbewerben“ verbessert werden. Auch Technikgeschichte wird hier geschrieben: Am 10. Juli 1928 startet von hier das erste Raketenflugzeug der Menschheitsgeschichte zum Testflug – 1,5 km schafft das Versuchsflugzeug „Ente“. Ein Jahr später gilt der erfolgreiche Autowindenstart auf der Lichtwiese als Meilenstein der Segelfluggeschichte.

Versorgung mit Strom Gründung der Überlandwerk Fulda Aktiengesellschaft

Mit der Gründung der Überlandwerk Fulda Aktiengesellschaft wird Fulda 1912 erstmals mit Strom versorgt. In der Frankfurter Straße entsteht ein Kraftwerk. Der Netzausbau in der umliegenden Region gestaltet sich schwierig: Kein Unternehmen will die dünnbesiedelte und unprofitable Rhön ans Stromnetz anschließen. Daher gründen 86 Gemeinden aus allen Teilen der Region, auch aus Bayern und Thüringen, 1920 die Überlandwerk Rhön GmbH. Erst diese länderübergreifende Kooperation ermöglicht den Ausbau der Stromversorgung bis in die Dörfer.